Michael Lüdi / Jennifer Dürst-Zimmermann10.06.2020

Neues aus Bundesbern - Revision des Erbrechts

Wie hoch ist der Pflichtteil eigentlich? 
Nachlassplanung – Berücksichtigung der (Teil-)Revision bereits heute

«[…] Meinen Sohn Hans setze ich auf den Pflichtteil. Die frei verfügbare Quote erhält meine Partnerin Lisa […].»

Um den überlebenden (Ehe-)Partner möglichst gut absichern zu können, ist es nicht unüblich, die Kinder auf den Pflichtteil zu setzen damit dem überlebenden Ehepartner mehr zugeteilt werden kann. Doch eine Regelung wie das Beispiel oben, könnte dereinst zu schwierigen Auslegungsproblemen führen. Denn der Pflichtteil der Nachkommen wird wohl in absehbarere Zeit reduziert – welcher Pflichtteil ist dann im obigen Testament gemeint? Der bisherige oder der revidierte?

Seit gut neun Jahren diskutiert der Bundesrat zusammen mit dem Parlament und Expertenkommissionen die Anpassung des über 100-jährigen Erbrechts. Am 12. September 2019 hat nun der Ständerat über einige Anpassungen diskutiert und entschieden. Wenn den Änderungsvorschlägen des Ständerates auch der Nationalrat zustimmen wird – wovon im Allgemeinen auszugehen ist – können erste Änderungen bereits 2021 in Kraft treten.

Konkret hat der Ständerat der Anpassung der Pflichtteile zugestimmt. Der Pflichtteil der Nachkommen soll neu noch ½ des gesetzlichen Erbanteils betragen, anstatt ¾ wie bisher. Dies würde dem Erblasser ermöglichen, über einen grösseren Teil seines Vermögens frei zu verfügen und beispielsweise die Konkubinatpartnerin – unter Berücksichtigung der (noch?) vorhandenen Steuerfolgen – mehr zu begünstigen. Denn ein Unterstützungsanspruch des Konkubinatpartners wurde abgelehnt.

Stimmt auch der Nationalrat der Pflichtteilsreduktion zu, so bedeutet dies für eine Person, welche beispielsweise Ehepartner und zwei gemeinsame Kinder hat, folgendes:

  • Pflichtteil Ehepartner: 2/8 (bisher: 2/8)
  • Pflichtteil Kind 1: 1/8 (bisher: 3/16)
  • Pflichtteil Kind 2: 1/8 (bisher: 3/16)
  • frei verfügbare Quote: 4/8 (bisher: 3/8)

Der Pflichtteil der Eltern soll ausserdem ganz wegfallen.

Wählen Nachlassplanende eine «Nutzniessungslösung», indem der Erblasser dem überlebenden Ehegatten gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung an dem ganzen ihnen zufallenden Teil der Erbschaft zuwendet, war die bisherige Quote, über welche der Erblasser frei verfügen konnte ¼ - neu soll sie ½ betragen. Der Erblasser könnte dem überlebenden Ehegatten somit nach der Revision neu die Hälfte des Nachlasses zu Volleigentum vermachen und diesem an der anderen Hälfte des Nachlasses die Nutzniessung einräumen.

Auch wenn die Übergangsbestimmungen vorsehen, dass die Revision keine Auswirkungen auf die bereits getroffenen Verfügungen haben soll, ist den Nachlassplanenden zu empfehlen, die sehr wahrscheinlich kommende Pflichtteilsrevision bereits heute zu berücksichtigen und allenfalls bereits bestehende Testamente zu präzisieren.

Für das eingangs gewählte Beispiel würde dies bedeuten, dass der Erblasser, wenn er seiner Partnerin möglichst viel vererben möchte, besser formulieren würde:

«[…] Meinen Sohn Hans setze ich auf den Pflichtteil, welcher das Gesetz im Zeitpunkt vorsieht, in welchem ich versterbe. Die frei verfügbare Quote erhält meine Partnerin Lisa […].»

Will der Erblasser jedoch die zukünftige altrechtliche Pflichtteilsquote beibehalten, ist eine Formulierung wie etwa die folgende möglich:

«[…] Meinen Sohn Hans setze ich auf den derzeit geltenden Pflichtteil (3/16). Diese Quote soll Hans auch dann erhalten, wenn der Pflichtteilsanspruch reduziert werden sollte. Die frei verfügbare Quote erhält meine Partnerin Lisa […].»

Als nächstes wird nun der Nationalrat über diese Anpassungen diskutieren und (hoffentlich) entscheiden. Dazu läuft parallel die Revision des Unternehmenserbrechts. Derzeit werden die Vernehmlassungen dazu ausgewertet.