Jonas Stüssi / Eva Gut / Sascha Drobnjak15.04.2020

Revision der Schweizerischen Zivilprozessordnung - Die geplanten Änderungen der ZPO im Überblick

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Das Zivilprozessrecht wurde per 1. Januar 2011 schweizweit kodifiziert und vereinheitlicht. Nachdem nun also Lehre, Justiz und Anwaltschaft seit fast einem Jahrzehnt Erfahrungen sammeln durften, will der Bundesrat die Praxistauglichkeit der ZPO verbessern. Privaten und Unternehmen soll der Zugang zum Gericht erleichtert und so die Rechtsdurchsetzung im Privatrecht weiter verbessert werden. Am 2. März 2018 hat der Bundesrat die Änderungen der ZPO mit entsprechendem erläuternden Bericht in die Vernehmlassung geschickt, welche bis am 11. Juni 2018 gedauert hat. Am 26. Februar 2020 wurden der definitive Revisionsentwurf sowie die dazugehörige Botschaft veröffentlicht. Anzumerken ist dazu, dass der Bundesrat die Änderungen im Rahmen des kollektiven Rechtsschutzes aus der Revisionsvorlage ausgeklammert hat, um sie zu einem späteren Zeitpunkt separat zu behandeln.

Das Parlament wird sich in den kommenden Sessionen mit diesem bundesrätlichen Entwurf befassen und über die endgültige Fassung der Revisionsvorlage befinden. Bis zum Inkrafttreten der Revision werden aber noch einige Jahre vergehen.

Hiernach werden die einzelnen Punkte der Revision zusammengefasst (auf die Wiedergabe derjenigen Änderungen, die lediglich redaktioneller oder nur marginal materieller Natur sind, wurde jedoch verzichtet):

Einzige kantonale Instanz (Art. 5 Abs. 1 lit. f E-ZPO)
Neu können Klagen gegen den Bund erst ab einem Streitwert von CHF 30'000.- bei der einzigen kantonalen Instanz eingereicht werden. Bisher bestand keine Streitwertlimitierung.

Erweiterung und Konkretisierung der Voraussetzungen zur Klage am Handelsgericht (Art. 6 Abs. 2 lit. b,c und d, Abs. 3, 4 lit. c und 6 E-ZPO)
Das Gesetz legt die Streitwertgrenze neu direkt im Gesetz bei CHF 30'000.- fest. Die handelsgerichtliche Zuständigkeit wird nicht mehr durch die Voraussetzung eingeschränkt, dass gegen den Entscheid die Beschwerde in Zivilsachen offensteht. Neu darf es sich zudem nicht um eine Streitigkeit aus Arbeitsverhältnis, nach dem Arbeitsvermittlungsgesetz, nach dem Gleichstellungsgesetz, aus Miete und Pacht von Wohn- und Geschäftsräumen oder aus landwirtschaftlicher Pacht handeln.

Die Kantone können das Handelsgericht neu auch für zuständig erklären, wenn – nebst der örtlichen Zuständigkeit – folgende Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind:

  1. Die Streitigkeit betrifft die geschäftliche Tätigkeit mindestens einer Partei. D
  2. Der Streitwert beträgt mindestens CHF 100'000.-.
  3. Die Parteien stimmen der Zuständigkeit des Handelsgerichts zu.
  4. Im Zeitpunkt der Zustimmung hat mindestens eine Partei Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthaltsort oder ihren Sitz nicht in der Schweiz.

Damit wird auf Bundesebene die Voraussetzung dafür geschaffen, dass die Kantone spezialisierte internationale Handelsgerichte einrichten können. Bemerkenswert dabei ist, dass keine der Parteien über einen Handelsregistereintrag verfügen muss. Die Zuständigkeitsvereinbarung ist sodann nicht formgebunden und kann sowohl im Voraus als auch nach Entstehen der Streitigkeit oder gar implizit nach Klageerhebung durch Einlassung geschlossen werden. Im internationalen Kontext wird also eine weitergehende Vereinbarkeit der handelsgerichtlichen Zuständigkeit als im Binnenverhältnis geschaffen.

Neu wird zudem im Gesetzestext klargestellt, dass das Handelsgericht für Klagen von Streitgenossen, die nicht alle als Rechtseinheiten im schweizerischen Handelsregister oder einem vergleichbaren ausländischen Register eingetragen sind, nur zuständig ist, wenn alle Klagen in die Zuständigkeit des Handelsgerichts fallen. Ansonsten findet eine Kompetenzattraktion beim ordentlichen Gericht statt.

Vorsorgliche Massnahmen bei der direkten Klage beim oberen Gericht (Art. 8 Abs. 2 E-ZPO)
In vermögensrechtlichen Streitigkeiten kann mit Zustimmung der beklagten Partei und einem Streitwert von mindestens CHF 100'000.- direkt beim oberen Gericht geklagt werden. Präzisiert wird neu, dass in diesem Fall dieses Gericht auch für die Anordnung von vorsorglichen Massnahmen zuständig ist.

Einfache Streitgenossenschaft (Art. 71 E-ZPO)
Der Bundesrat präzisiert hinsichtlich der einfachen Streitgenossenschaft in einem neu formulierten und strukturierten Artikel, dass mehrere Personen gemeinsam klagen oder beklagt werden können, sofern

  1. Rechte und Pflichten beurteilt werden sollen, die auf gleichartigen Tatsachen oder Rechtsgründen beruhen;
  2. für die einzelnen Klagen die gleiche Verfahrensart anwendbar ist; und
  3. das gleiche Gericht sachlich zuständig ist.

Damit soll die bisherige bundesgerichtliche Rechtsprechung kodifiziert werden.

Grundsätze der Streitverkündungsklage (Art. 81 und Art. 82 Abs. 1 E-ZPO)
Die streitverkündende Partei kann die Ansprüche, welche sie im Unterliegensfalle gegenüber der streitberufenen Person zu haben glaubt oder die sie von Seiten der streitberufenen Person befürchtet, unter folgenden, neu explizit im Gesetz vorgesehenen und kumulativ erforderlichen Voraussetzungen beim mit der Hauptklage befassten Gericht geltend machen:

  1. die Ansprüche stehen mit der Hauptklage in einem sachlichen Zusammenhang;
  2. das Gericht ist für die Ansprüche sachlich zuständig; und
  3. die Hauptklage und die Ansprüche sind im ordentlichen Verfahren zu beurteilen.

Neu wird zudem kodifiziert, dass der Streitwert in der Streitverkündungsklage nicht zu beziffern ist, wenn diese dieselbe Leistung betrifft, zu der die streitverkündende Partei ihrerseits im Hauptverfahren verpflichtet wird.

Klagenhäufung (Art. 90 Abs. 2 E-ZPO)
Die (objektive) Klagenhäufung war bisher nur dann zulässig, wenn das gleiche Gericht dafür sachlich zuständig und die gleiche Verfahrensart anwendbar ist. Dies bleibt sich prinzipiell gleich.

Gemäss dem neuen Art. 90 Abs. 2 E-ZPO, der die bisherige bundesgerichtliche Praxis ins geschriebene Recht überführt, können Klagen auch dann gehäuft werden, wenn eine unterschiedliche sachliche Zuständigkeit oder Verfahrensart lediglich auf dem Streitwert beruht. Soweit für die gehäuften einzelnen Ansprüche unterschiedliche Verfahren anwendbar sind, so werden sie zusammen im ordentlichen Verfahren beurteilt.

Streitwert Verbandsklage (Art. 94a E-ZPO)
Art. 94a E-ZPO wurde im Zusammenhang mit der Verbandsklage neu geschaffen. Danach setzt das Gericht den Streitwert einer Verbandsklage entsprechend dem Interesse der einzelnen Angehörigen der betroffenen Personengruppe und der Bedeutung des Falles nach Ermessen fest.

Kostenvorschuss (Art. 98 E-ZPO)
Das Gericht und die Schlichtungsbehörden können neu nur noch höchstens die Hälfte der mutmasslichen Gerichtskosten als Vorschuss verlangen.

Diese neue Regelung gilt jedoch nicht für alle Verfahren: Ausnahmen bestehen für das Verfahren nach Art. 6 Abs. 4 lit. c [Verfahren der neu geschaffenen erweiterten internationalen Handelsgerichtsbarkeit] und Art. 8 ZPO [direkte Klage beim oberen Gericht], das Schlichtungsverfahren, das summarische Verfahren mit Ausnahme der vorsorglichen Massnahmen im Rahmen des Rechtsschutzes in klaren Fällen und der familienrechtlichen Streitigkeiten sowie für Rechtsmittelverfahren.

Verteilung der Prozesskosten (Art. 106 Abs. 2 E-ZPO)
Art. 106 Abs. 2 E-ZPO legt genauer als bisher fest, wie die Prozesskosten zu verteilen sind, wenn mehrere Parteien an einem Verfahren beteiligt sind. Grundsätzlich sind die Kosten nach Massgabe der Beteiligung dieser Parteien zu verteilen. Eine solidarische Haftung kann nur noch bei einfacher Streitgenossenschaft auferlegt werden.

Liquidation der Prozesskosten (Art. 111 Abs. 1 und 2 E-ZPO)
Die Gerichtskosten (abgesehen von den Ausnahmefällen in Artikel 98 Abs. 2 E-ZPO) werden mit den geleisteten Vorschüssen der kostenpflichtigen Partei verrechnet; für den Saldo wird entweder ein Fehlbetrag nachgefordert oder ein Überschuss zurückerstattet. Damit tragen neu nicht mehr die Parteien das Inkassorisiko für die Gerichtskosten bzw. das Bonitätsrisiko der Gegenpartei, sondern der Staat.

Umfang der unentgeltlichen Rechtspflege (Art. 118 Abs. 2 E-ZPO)
Die unentgeltliche Rechtspflege kann – entgegen der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts – neu auch für die vorsorgliche Beweisführung gewährt werden.

Verfahrenssprache (Art. 129 Abs. 2 E-ZPO)
Neu kann das kantonale Recht vorsehen, dass in der ZPO unterstehenden Verfahren auf Antrag sämtlicher Parteien eine andere Landessprache oder die englische Sprache benutzt werden kann. Siehe für das bundesgerichtliche Verfahren auch die korrespondierende Anpassung in Art. 42 Abs. 1bis E-BGG (vgl. unten).

Eingaben an ein unzuständiges Gericht (Art. 143 Abs. 1bis E-ZPO)
Gemäss dem neuen Art. 143 Abs. 1bis E-ZPO gelten Eingaben, die innert Frist irrtümlich bei einem offensichtlich unzuständigen schweizerischen Gericht eingereicht werden, als rechtzeitig eingereicht. Ist ein anderes Gericht in der Schweiz offensichtlich zuständig, leitet das unzuständige Gericht die Eingabe von Amtes wegen weiter.

Rechtsmittel im Wiederherstellungsverfahren (Art. 149 E-ZPO)
Bislang waren Rechtsmittel im Wiederherstellungsverfahren grundsätzlich ausgeschlossen. In Übereinstimmung mit der bundesgerichtlichen Rechtsprechung wird nun festgehalten, dass dies dann nicht der Fall ist, wenn die Verweigerung der Wiederherstellung den definitiven Verlust einer Klage oder eines Angriffsmittels zur Folge hat.

Ausnahme von der Mitwirkungspflicht für Unternehmensjuristen (Art. 160a E-ZPO)
Für Unternehmensjuristen gilt neu ein besonderes Mitwirkungsverweigerungsrecht im Zivilprozess. Dies soll unter der Voraussetzung gelten, dass die betreffende Tätigkeit des Unternehmensjuristen bei einem Anwalt als berufsspezifisch gelten würde und der Leiter des Rechtsdienstes über ein Anwaltspatent verfügt. Die Unterlagen aus dem Verkehr mit einem unternehmensinternen Rechtsdienst fallen neu unter den Schutz von Art. 160 Abs. 1 lit. b ZPO.

Einvernahme mittels Videokonferenz (Art. 170a E-ZPO)
Das Gericht kann neu eine Einvernahme von Zeugen mittels Videokonferenz oder ähnlichen technischen Mitteln durchführen. Die Einvernahme wird dabei in Ton und Bild festgehalten.

Protokollierung bei Aufzeichnung (Art. 176a E-ZPO)
Werden Aussagen während einer Verhandlung aufgezeichnet, war bisher nur geregelt, dass das Gericht darauf verzichten kann, dem Zeugen das Protokoll vorzulesen oder zum Lesen vorzulegen und unterzeichnen zu lassen, und dass die Aufzeichnung zu den Akten genommen wird. Neu gilt explizit auch die Regel, dass das Protokoll nachträglich gestützt auf die Aufzeichnung erstellt werden kann.

Parteigutachten als Urkunde (Art. 177 E-ZPO)
Gemäss der bisherigen bundesgerichtlichen Rechtsprechung kommt Partei- und Privatgutachten keine Beweismittelqualität zu; diese gelten lediglich als Parteibehauptungen. Neu soll die Urkundenqualität von Partei- und Privatgutachten ausdrücklich im Gesetz verankert werden. Dadurch sollen Partei- und Privatgutachten neu zulässige Beweismittel darstellen und der freien Beweiswürdigung des Gerichts gemäss Art. 157 ZPO unterliegen.

Aufzeichnung bei mündlichen Gutachten, Parteibefragungen und Beweisaussagen (Art. 187 und Art. 193 E-ZPO)
Die oben umschriebene Neuregelung in Art. 170a E-ZPO gilt sinngemäss für die mündliche Erstattung von Gutachten, die Parteibefragung und die Beweisaussage.

Ausnahmen vom Schlichtungsverfahren (Art. 198 Abs. 1 lit. bbis, f, h und i E-ZPO)
Neu entfällt das Schlichtungsverfahren zwingend auch bei Klagen über den Unterhalt des Kindes und weitere Kinderbelange, bei Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung und bei Klagen vor dem Bundespatentgericht sowie bei Klagen, die mit einer sachlich zusammenhängenden Klage vereint werden, für deren Anhebung gerichtlich Frist angesetzt wurde.

Verzicht auf das Schlichtungsverfahren (Art. 199 Abs. 3 E-ZPO)
Neu ist das Schlichtungsverfahren grundsätzlich fakultativ, wenn eine einzige kantonale Instanz zuständig ist. Daher kann unter anderem neu auch bei Streitigkeiten nach Art. 6 (Handelsgerichtszuständigkeit) vorab ein Schlichtungsverfahren durchgeführt werden.

Es bestehen die folgenden Ausnahmen:

  1. Bei Streitigkeiten betreffend geistiges Eigentum, den Gebrauch einer Firma oder unlauteren Wettbewerb ist das Schlichtungsverfahren nur dann freiwillig, wenn der Streitwert mehr als CHF 30 000.- beträgt. Diese Streitwertgrenze kann in Verfahren betreffend unlauteren Wettbewerb jedoch dem klagenden Bund nicht entgegengehalten werden.
  2. Bei Streitigkeiten aus Zusatzversicherungen zur sozialen Krankenversicherung ist das Schlichtungsverfahren nicht möglich.

Diese verfahrensmässige Erleichterung bringt insbesondere weitergehende Möglichkeiten zur Unterbrechung der Verjährung gegenüber Parteien, die nicht in der Schweiz betrieben werden können.

Säumnis im Schlichtungsverfahren (Art. 206 Abs. 4 E-ZPO)
Angesichts der Bedeutung der persönlichen Anwesenheit der Konfliktbeteiligten für die Schlichtungsverhandlung und deren vordringliches Ziel der Schlichtung statuiert die ZPO eine grundsätzliche Teilnahmepflicht der Parteien. Neben den Säumnisfolgen soll eine säumige (klägerische oder beklagte) Partei neu mit einer Ordnungsbusse von bis zu CHF 1'000.- bestraft werden können.

Entscheidvorschlag der Schlichtungsbehörde (Art. 210 Abs. 1 E-ZPO)
Die Schlichtungsbehörden können den Parteien zur Zeit in anderen als das Gleichstellungsgesetz und gewissen das Mietrecht betreffenden vermögensrechtlichen Angelegen­heiten mit einem Streitwert von bis zu CHF 5'000.- einen Entscheidvorschlag unterbreiten.

Neu wird in diesen Fällen ein Entscheidvorschlag bis zu einem Streitwert von CHF 10'000.- möglich sein. Unverändert bleibt hingegen die Entscheidbefugnis der Schlichtungsbehörden bis zu einem Streitwert von CHF 2'000.- (Art. 212 ZPO).

Widerklage (Art. 224 Abs. 1bis E-ZPO)
Eine Widerklage ist grundsätzlich nur dann möglich, wenn sie im gleichen Verfahren wie die Hauptklage zu behandeln ist. Neu ist sie aber auch dann zulässig und zusammen mit der Hauptklage im ordentlichen Verfahren zu beurteilen, wenn

  1. der widerklageweise geltend gemachte Anspruch lediglich aufgrund des Streitwerts im vereinfachten Verfahren, die Hauptklage aber im ordentlichen Verfahren zu beurteilen ist.
  2. mit der Widerklage im ordentlichen Verfahren auf Feststellung des Nichtbestehens eines Rechts oder Rechtsverhältnisses geklagt wird, nachdem mit der Hauptklage nur ein Teil eines Anspruchs aus diesem Recht oder Rechtsverhältnis eingeklagt wurde und dafür lediglich aufgrund des Streitwerts das vereinfachte Verfahren Anwendung findet.
     

Gewährung der aufschiebenden Wirkung durch das erkennende Gericht (Art. 236 Abs. 4 E-ZPO)

In Fällen, in denen ein Entscheid bereits mit seiner Ausfällung sofort vollstreckbar wird, hat die unterliegende Partei ein Interesse daran, dass die Vollstreckung bis zu einem entsprechenden Entscheid der Rechtsmittelinstanz aufgeschoben wird. Dies soll nach dem Vorschlag des Bundesrates mit einem neuen Art. 236 Abs. 4 E-ZPO ermöglicht werden. Gemäss dem neuen Gesetzeswortlaut kann das erkennende Gericht auf Antrag der unterliegenden Partei oder von Amtes wegen die Vollstreckung bis zu einem entsprechenden Entscheid der Rechtsmittelinstanz oder dem unbenutzten Ablauf der Rechtsmittelfrist aufschieben, wenn der betroffenen Partei ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. Nötigenfalls kann es zudem sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit anordnen.

Begründung des Entscheids (Art. 239 Abs. 2bis E-ZPO)
Soweit ein Entscheid ohne schriftliche Begründung eröffnet wird, kann eine Partei neu beim entscheidenden Gericht bis zum Ablauf der Frist für die schriftliche Begründung um Aufschub der Vollstreckung ersuchen, wenn ihr ein nicht leicht wiedergutzumachender Nachteil droht. Das Gericht kann nötigenfalls auch sichernde Massnahmen oder die Leistung einer Sicherheit anordnen. Im Gegensatz zur Regelung in Art. 236 Abs. 4 E-ZPO kann das Gericht seinen unbegründet eröffneten Entscheiden aber keine aufschiebende Wirkung von Amtes wegen verleihen.

Abschreibung des Verfahrens (Art. 241 Abs. 3 E-ZPO)
Der Abschreibungsentscheid des Gerichts im Rahmen eines Vergleichs, einer Klageanerkennung oder eines Klagerückzugs kann neu mit Beschwerde angefochten werden. Für die Anfechtung des Vergleichs, der Klageanerkennung oder des Klagerückzugs steht aber weiterhin nur die Revision zur Verfügung.

Katalog der Summarsachen (Art. 249 lit. a Ziff. 5 und Art. 250 lit. c Ziff. 6, 11 und 14 E-ZPO)
Die Kataloge der Summarsachen aus ZGB und OR werden angepasst. Neu sind auch Organisationsmängel eines Vereins oder einer Gesellschaft sowie Gesuche von Gesellschaftern oder Gläubigern gegen eine Löschung mangels Aktiven und Aktivitäten im summarischen Verfahren zu beurteilen.

Massnahmen gegen Medien (Art. 266 lit. a E-ZPO)
Das gesetzgeberische Versehen, beim Erlass der ZPO Massnahmen gegen periodisch erscheinende Medien nur für drohende, nicht aber bestehende Verletzungen vorzusehen, wird korrigiert.

Verfahren der Scheidungsklage (Art. 288 Abs. 2 und Art. 291 E-ZPO)
Kommt es zu keiner Einigung über den Scheidungsgrund oder die Scheidungsnebenfolgen, kommt es zu einem kontradiktorischen Verfahren. Nach bisher geltendem Recht ist dieses im ordentlichen Verfahren und somit grundsätzlich schriftlich durchzuführen. Neu soll das Scheidungsklageverfahren oder das Verfahren über die Nebenfolgen im vereinfachten Verfahren durchgeführt werden. Somit kann es grundsätzlich mündlich oder auch schriftlich durchgeführt werden, womit den Umständen des konkreten Falls besser Rechnung getragen werden kann.

Verfahren bei selbständigen Klagen über Kinderbelange (Art. 295 E-ZPO)
Neu ist für sämtliche selbständigen Klagen über Kinderbelange und den Unterhalt von Kindern – auch für diejenigen eines volljährigen Kindes oder diejenigen des Gemeinwesens auf Verwandtenunterstützung – das einfache Verfahren anwendbar.

Unterhalts- und Vaterschaftsklage (Art. 304 Abs. 2 E-ZPO)
Das Gesetz regelt neu gewisse prozessuale Details zur Vereinfachung des Verfahrens bei kombinierten Unterhalts- und Vaterschaftsklagen.

Anschlussberufung im summarischen Verfahren (Art. 314 Abs. 2 E-ZPO)
Grundsätzlich ist zu einer Berufung gegen einen im summarischen Verfahren ergangenen Entscheid keine Anschlussberufung zulässig. Neu wird in Bezug auf verschiedene familienrechtliche Angelegenheiten dazu eine Ausnahme eingeführt.

Novenrecht (Art. 317 Abs. 1bis E-ZPO)
In Verfahren mit uneingeschränktem Untersuchungsgrundsatz können die Parteien im Berufungsverfahren neu uneingeschränkt bis zur Urteilsberatung neue Tatsachen und Beweismittel vorbringen. Damit wird die bundesgerichtliche Rechtsprechung kodifiziert.

Begründung von Berufungs- und Beschwerdeentscheiden (Art. 318 Abs. 2 und Art. 327 Abs. 2 E-ZPO)
Die Bestimmung, nach der eine Berufung schriftlich zu begründen ist, wird aufgehoben. Damit steht dem Rechtsmittelgericht – wie dem erstinstanzlichen Gericht – die Möglichkeit offen, den Entscheid nur im Dispositiv zu verschicken. Nach dessen Erhalt können die Parteien jedoch auch vor zweiter Instanz eine schriftliche Begründung verlangen.

Erweiterung der Revisionsgründe (Art. 328 Abs. 1 lit. d E-ZPO)
Neu kann die Revision eines rechtskräftigen Entscheids verlangt werden, wenn eine Partei einen Ausstandsgrund erst nach Abschluss des Verfahrens entdeckt und kein anderes Rechtsmittel zur Verfügung steht. Eine entsprechende Anpassung des Gesetzes erfolgt auch bei der Bestimmung zum Ausstand (Art. 51 E-ZPO).

Vollstreckbarkeit eines unbegründet eröffneten Entscheids (Art. 336 Abs. 3 E-ZPO)
Zur Vermeidung einer Rechtsunsicherheit hält der bundesrätliche Entwurf nun explizit fest, dass auch ein ohne schriftliche Begründung eröffneter Entscheid – wie ein schriftlich begründeter Entscheid – vollstreckbar ist.

Identische Klagen bei Schiedsgericht und dem staatlichen Gericht (Art. 372 Abs. 2 E-ZPO)
Sofern bei einem staatlichen Gericht und einem Schiedsgericht Klagen über denselben Streitgegenstand zwischen denselben Parteien rechtshängig gemacht werden, hat das zuletzt angerufene Gericht das Verfahren unter geltendem Recht auszusetzen, bis das zuerst angerufene Gericht über seine Zuständigkeit entschieden hat. Dieser Passus wird neu ersatzlos gestrichen. Die Rechtslage wird neu wie folgt geklärt:

Ein Binnenschiedsgericht muss das Schiedsverfahren nicht mehr automatisch sistieren, bis ein staatliches Gericht in der Schweiz darüber über seine Zuständigkeit befunden hat. Vielmehr kann das Schiedsgericht direkt die Zuständigkeitsfrage und damit seine eigene Zuständigkeit abschliessend prüfen und das Schiedsverfahren gegebenenfalls weiterführen. Für das staatliche schweizerische Gericht dürfte sich nach Ansicht des Bundesrats nichts ändern, nachdem es sich ohnehin nur unter sehr eingeschränkten Voraussetzungen für zuständig erklären dürfte.

Informationen zu den Prozesskosten (Art. 400 Abs. 2bis und 3 E-ZPO)
Der Bundesrat stellt der Öffentlichkeit Informationen zu den Prozesskosten, Möglichkeiten der unentgeltlichen Rechtspflege sowie der Prozessfinanzierung zur Verfügung. Er kann diese Aufgabe an das Bundesamt für Justiz übertragen.

Statistik und Geschäftszahlen (Art. 401a E-ZPO)
Die neue Bestimmung Art. 401a E-ZPO hält fest, dass Bund und Kantone gemeinsam mit den Gerichten dafür sorgen, dass genügende statistische Grundlagen und Geschäftszahlen über die massgeblichen Kennzahlen der praktischen Anwendung der ZPO, insbesondere Anzahl, Art, Materie, Dauer und Kosten für alle Verfahren vorliegen.

Englischsprachige Rechtsschriften vor Bundesgericht (Art. 42 Abs. 1bis E-BGG)
Korrespondierend zum neuen Art. 129 Abs. 2 E-ZPO wird Art. 42 BGG um den Absatz 1bis ergänzt. Danach können Rechtsschriften vor Bundesgericht in Englisch abgefasst werden, sofern eine Zivilsache vor der Vorinstanz in englischer Sprache geführt wurde.  Entscheide ergehen aber auch zukünftig stets in einer Amtssprache.

Internationale Handelsstreitigkeiten (Art. 5 Abs. 3 lit. c E-IPRG)
Passend zur Einführung der Möglichkeit der Schaffung der erweiterten Handelsgerichtsbarkeit in internationalen Verhältnissen sieht nun auch das IPRG vor, dass das in diesem Rahmen angerufene Gericht seine Zuständigkeit nur ablehnen darf, wenn das anwendbare kantonale Gesetz dies vorsieht.

Zur Vertiefung der mit diesem Thema verbundenen Fragen stehen Ihnen die Autoren sowie die anderen Mitglieder des Teams gerne zur Verfügung.