Gesetzgeberische Neuerungen für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Schweiz
Das 12. Kapitel des Bundesgesetzes über das Internationale Privatrecht («IPRG») legt die schweizerischen gesetzlichen Grundlagen für die internationale Schiedsgerichtsbarkeit fest. Soweit die Parteien dies in ihrer Schiedsabrede nicht explizit ausgeschlossen haben, findet das IPRG auf alle internationalen Schiedsverfahren von Schiedsgerichten mit Sitz in der Schweiz Anwendung.
Die heute geltenden Gesetzesvorschriften stammen grossmehrheitlich aus dem Jahr 1987. Die internationale Schiedsgerichtsbarkeit hat sich seither indessen weiterentwickelt. Das Parlament hat daher im Juni 2020 eine überarbeitete Fassung des 12. Kapitels des IPRG sowie damit verbundener Bestimmungen in anderen Gesetzen verabschiedet. Das Ziel der Revision ist insbesondere, die Attraktivität des Schiedsplatzes Schweiz weiter zu steigern. Punktuell werden neue Vorschriften eingeführt, wobei die Gerichtspraxis zu zentralen Themen zur Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit Eingang ins Gesetz findet. Weiterhin wird ein grosses Gewicht auf die Autonomie und Flexibilität der Parteien in der Verfahrensgestaltung gelegt.
Nachfolgend werden die wesentlichsten Punkte dieser Revision kurz beleuchtet. Die Revision tritt auf den 1. Januar 2021 hin in Kraft.
- Für Parteien und Schiedsrichter aus dem Ausland von besonderem Interesse dürfte die neu geschaffene Möglichkeit sein, Rechtsschriften bei einer Beschwerde gegen einen Schiedsentscheid auch in englischer Sprache beim Bundesgericht einzureichen. Diese Änderung wurde parallel zur Revision des IPRG durch eine Revision des Bundesgerichtsgesetzes (neuer Art. 77 Abs. 2bis BGG) eingeführt.
- Weiter sticht für die Parteien von Schiedsverfahren im Ausland der neue Art. 185a IPRG hervor. Darin wird neu der direkte Zugang von Schiedsgerichten mit Sitz im Ausland und von Parteien ausländischer Schiedsgerichte zu den schweizerischen staatlichen Gerichten als juge d’appui gewährleistet. Dieser Zugang steht dann zur Verfügung, wenn vorsorgliche oder sichernde Massnahmen vollstreckt werden sollen, die im Rahmen eines Schiedsverfahrens im Ausland angeordnet wurden oder wenn eine gerichtliche Mitwirkung bei der Beweisaufnahme in der Schweiz erforderlich ist. Damit wird eine unmittelbare Schnittstelle von ausländischen Schiedsgerichten zu den schweizerischen Gerichten eingeführt und der Umweg über langwierige Rechtshilfeverfahren eliminiert.
- Im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichts wird im neuen Art. 178 Abs. 4 IPRG ausdrücklich statuiert, dass Schiedsklauseln auch in Statuten von juristischen Personen und Stiftungen sowie in einseitigen Rechtsgeschäften gültig sind, sofern sie schriftlich oder in einer anderer Form festgehalten sind, welche den Nachweis durch Text ermöglichen.
- Die Rügepflicht der Parteien wird im neuen Art. 182 Abs. 4 IPRG ausdrücklich gesetzlich verankert. Die Parteien müssen erkannte oder bei gehöriger Aufmerksamkeit erkennbare Verstösse gegen die Verfahrensregeln (z.B. die Befangenheit eines Schiedsrichters) «unverzüglich» rügen, ansonsten sie sich später nicht mehr darauf berufen können. Der Gesetzgeber hat es unterlassen, eine Frist festzulegen; es dürfte jedoch empfehlenswert sein, nicht länger als 10 Tage seit Entdeckung des Rügegrundes zuzuwarten.
- Deutlich detaillierter als vorher und entsprechend benutzerfreundlicher ausgestaltet sind die Regelungen über Ernennung, Ersetzung und Abberufung von Schiedsrichtern (Art. 179 – 180b IPRG). Dasselbe gilt für die Bestimmungen zur Berichtigung, Erläuterung und Ergänzung von Schiedsentscheiden durch das Schiedsgericht.
- Einziges Rechtsmittel gegen einen Schiedsspruch eines Schiedsgerichts mit Sitz in der Schweiz war auch bis anhin eine Beschwerde ans schweizerische Bundesgericht. Die Kognition des Bundesgerichts ist stark eingeschränkt und es können nur fünf prozessuale Mängel gerügt werden. Ausdrücklich ins Gesetz aufgenommen wurde nun auch die Möglichkeit, einen Schiedsentscheid beim nachträglichen Entdecken von neuen Tatsachen durch Anrufung des Bundesgerichts einer Revision unterziehen zu lassen (Art. 189a – 191 IPRG). Wie auch die Möglichkeit einer Beschwerde ans Bundesgericht können die Parteien gemäss Art. 192 Abs. 1 IPRG auch die Möglichkeit einer Revision ausschliessen, sofern beide Parteien im Ausland domiziliert sind und auch sonst keinen näheren Bezug zur Schweiz haben. Die einzige Ausnahme gilt mit Bezug auf neu entdeckte Straftaten zum Nachteil einer Partei.
Die revidierten Bestimmungen finden ab ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 2021 auch auf Schiedsvereinbarungen Anwendung, welche vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen worden sind.
Unsere Spezialisten in Prozessführung und Schiedsgerichtsbarkeit stehen Ihnen gerne zur Verfügung, die Auswirkungen dieser Revision näher zu erläutern und Sie bei der Ausarbeitung von Schiedsvereinbarungen oder der Führung von Schiedsverfahren zu beraten und zu vertreten.