Wegweisender Entscheid des Bundesgerichts zu Konzessionsabgaben beim Betrieb von Elektrizitätsleitungen
Im Urteil 2C_399/2017 vom 28. Mai 2018 adressiert das Bundesgericht zahlreiche Unklarheiten hinsichtlich Konzessionsabgaben beim Betrieb von Elektrizitätsleitungen und der Tragung dieser Abgaben. Namentlich war die Frage zu beantworten, ob eine Netzbetreiberin Konzessionsgebühren, die sie für den Betrieb des Elektrizitätsnetzes auf dem öffentlichen Grund und Boden an das Gemeinwesen bezahlt, auf die bei ihr angeschlossenen Stromendverbraucher überwälzen kann. Das Bundesgerichtsurteil befasst sich damit mit ähnlichen, allerdings nicht identischen Fragestellungen, die bereits in den Urteilen BGE 138 II 70 vom 17. November 2011 und BGer 2C_116/2014 vom 16. August 2016 thematisiert wurden. Insbesondere das Urteil BGE 138 II 70 hat bei zahlreichen (Elektrizitäts-) Netzbetreiberinnen zu erheblicher Verunsicherung geführt. Der jüngst ergangene Entscheid 2C_399/2017 bringt nun in verschiedener Hinsicht Klarheit:
Das Bundesgericht erwägt, dass zwei Rechtsverhältnisse relevant und auseinanderzuhalten sind (E. 4.3). Einerseits das Rechtsverhältnis (1) zwischen dem Gemeinwesen, welches die Konzession für die Sondernutzung erteilt, und der Netzbetreiberin, welche die Leitung betreibt und dafür dem Gemeinwesen eine Konzessionsabgabe entrichtet. Andererseits das Rechtsverhältnis (2) zwischen der Netzbetreiberin und dem Kunden, auf den diese Abgabe als Teil des Netznutzungsentgelts überwälzt wird. Im Rechtsverhältnis (1) ist massgebend, ob die Konzessionsabgabe nach den abgaberechtlichen Grundsätzen rechtmässig ist. Im Rechtsverhältnis (2) ist relevant, ob eine rechtliche Grundlage besteht, um die Abgabe auf den Endverbraucher zu überwälzen.
Zum Rechtsverhältnis (1) stellt das Bundesgericht klar (E. 6.2.4), dass es sich bei der Konzessionsabgabe nicht um eine Steuer, sondern um eine Kausalabgabe, nämlich die Gegenleistung für die erteilte Konzession handelt. Dies auch dann, wenn sich die Abgabe aus Sicht des Endverbrauchers ähnlich auswirkt wie die Mehrwertsteuer (ein bestimmter Anteil des Preises, den der Endverbraucher der Netzbetreiberin bezahlt, fliesst im Ergebnis an das Gemeinwesen). Das Bundesgericht bestätigt sodann, dass ein Konzessionsvertrag zwischen dem Gemeinwesen und der Netzbetreiberin eine genügende gesetzliche Grundlage für die Erhebung einer Abgabe darstellen kann. Vorliegend wurden die Höhe und die Bemessungsgrundlage der Abgabe nicht in einem Gesetz im formellen Sinne, sondern in einem (dem fakultativen Referendum unterliegenden) Konzessionsvertrag geregelt, was eine genügende resp. gültige gesetzliche Grundlage für die Erhebung der Konzessionsabgabe bei der Netzbetreiberin darstellt (E. 7.6.2). Schliesslich erwägt das Bundesgericht, dass die Höhe der zu entrichtenden Konzessionsabgabe dem Äquivalenzprinzip zu genügen hat. Das Äquivalenzprinzip konkretisiert das Verhältnismässigkeitsprinzip und das Willkürverbot für den Bereich der Kausalabgaben. Es bestimmt, dass eine Gebühr nicht in einem offensichtlichen Missverhältnis zum objektiven Wert der Leistung stehen darf und sich in vernünftigen Grenzen halten muss. Je nachdem, ob eher die Leistung des Gemeinwesens (zur Verfügung stellen des öffentlichen Grundes) oder eher der Nutzen des Konzessionärs bzw. des Endverbrauchers (Erzielen von Netznutzungsentgelten bzw. Nutzen aus der Durchleitung von Strom) betrachtet wird, können unterschiedliche Modelle für die Bemessung der Konzessionsabgabe sachlich vertretbar sein. Das Äquivalenzprinzip verlangt einen sachlich haltbaren Anknüpfungspunkt für die Bemessung der Abgabe, lässt aber nicht nur eine mögliche Lösung zu (E. 8.4.5). Bereits in BGE 138 II 70 befand es das Bundesgericht für zulässig, die Abgabe nach Massgabe der transportierten Elektrizitätsmenge zu bemessen. Im jüngst ergangenen Urteil 2C_399/2017 vom 28. Mai 2018 stellt das Bundesgericht fest, dass auch zulässig ist, die Höhe der konkret zu entrichtenden Abgabe an die Einnahmen aus der Netznutzung anzuknüpfen, handelt es sich dabei doch um nichts anderes als das Entgelt für die gelieferte und transportierte Energie bzw. die beanspruchte Leistung (E. 8.5.1). Beim Abstellen auf die Einnahmen aus der Netznutzung handelt es sich um ein in der Praxis weit verbreitetes Modell, welches vom Bundesgericht nun explizit für zulässig befunden worden ist (was insbesondere nach BGE 138 II 70 unklar war).
Zum Rechtsverhältnis (2) hält das Bundesgericht einleitend fest (E. 1.1), dass die Forderung einer (privatrechtlich organisierten) Netzbetreiberin gegen einen (privatrechtlich organisierten) Endverbraucher auf Leistung der Konzessionsabgabe öffentlich-rechtlicher Natur ist (dazu BGer 4A_582/2014 vom 17. April 2014). Weiter stellt das Bundesgericht fest, dass Konzessionsabgaben «Abgaben und Leistungen an das Gemeinwesen» gemäss Art. 14 Abs. 1 Stromversorgungsgesetz (StromVG) darstellen. Mithin sind Konzessionsabgaben Bestandteil des Netznutzungsentgelts, welches gemäss Art. 14 Abs. 2 StromVG vom Endverbraucher je Ausspeisepunkt zu bezahlen ist. Angesichts dieser klaren gesetzlichen Regelung hält das Bundesgericht fest, dass die im Netznutzungsentgelt integrierten Abgaben an das Gemeinwesen (i.c. Konzessionsabgaben) unmittelbar gestützt auf das StromVG auf die Endverbraucher überwälzt werden können, ohne dass es einer zusätzlichen gesetzlichen oder vertraglichen Grundlage bedarf (E. 9.1). Dies gilt allerdings nur für die Wälzung von Konzessionsabgaben, die im Zusammenhang mit dem Netzbetrieb und nicht der Energielieferung anfallen (E. 9.2.2.4).
Gewisse in der Praxis relevante Fragestellungen wurden vom Bundesgericht (auch) im jüngsten Entscheid 2C_399/2017 vom 28. Mai 2018 offengelassen bzw. mussten nicht entschieden werden. Das Bundesgericht äusserte sich noch nicht abschliessend dazu, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, eine degressiv ausgestaltete Abgabe zu erheben (vorliegend unterschied sich die Höhe der Konzessionsabgabe je nach Netzanschlussebene des Endverbrauchers). Da im Urteil 2C_116/2014 vom 16. August 2016 eine degressive Ausgestaltung der Abgabe als zulässig befunden wurde, erscheint es naheliegend, dass eine solche Ausgestaltung der Abgabe dann zulässig ist, wenn eine sachliche Begründung für die Degression besteht. Ebenfalls noch nicht abschliessend beurteilt ist, ob es heute noch zulässig ist, Konzessionsabgaben nicht nur für den Bereich der Netznutzung, sondern auch für den Bereich der Energielieferung zu erheben. Das Bundesgericht schliesst dies zumindest bei der Belieferung von Endverbrauchern in der Grundversorgung nicht aus (E. 9.2.2). Solche Abgaben können aber in jedem Fall nicht als Bestandteil des Netznutzungsentgelts, sondern gegebenenfalls als Bestandteil des Strompreises auf den Endverbraucher weitergewälzt werden (E. 9.2.2.1). Die Wälzung der Konzessionsabgabe auf dem Energieteil auf den Endverbraucher bedarf zudem einer vertraglichen Grundlage, d.h. die Zulässigkeit der Überwälzung ergibt sich – anders als bei Konzessionsabgaben für die Netznutzung – nicht direkt aus dem StromVG (E. 9.2.2.4).
Die STAIGER vertrat im Verfahren 2C_399/2017 die Netzbetreiberin. Das Team bestand aus RA Dr. Marc Bernheim und RA Gaudenz Geiger.