Bundesrat verabschiedet die Botschaft für ein revidiertes Erbrecht
Am 29. August 2018 hat der Bundesrat die Botschaft zur Änderung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches (Erbrecht) zuhanden des Parlamentes verabschiedet. Ziel der Revision ist vorwiegend die Besserstellung des überlebenden Ehegatten resp. des überlebenden eingetragenen Partners, mithin die Flexibilisierung der Nachlassplanung (durch eine grössere frei verfügbare Quote). Durch die vorgesehenen Anpassungen soll dem Wandel der gesellschaftlichen Formen des Zusammenlebens entsprochen werden. Nach wie vor kein gesetzliches Erbrecht ist für Lebenspartner vorgesehen. Jedoch in Härtefällen soll dem faktischen Lebenspartner ein Rentenanspruch (zulasten der Erben) zugesprochen werden können. Im Wesentlichen sieht der Gesetzesentwurf folgende Anpassungen vor:
Pflichtteil
Neu sollen nur noch die Nachkommen und der Ehegatte (resp. der eingetragene Partner/Partnerin) pflichtteilsgeschützt sein (revArt. 470 Abs. 1 ZGB). Der Pflichtteil der Eltern fällt somit dahin. Der Pflichtteil beträgt neu (bei allen) 1/2 des gesetzlichen Anspruchs (revArt. 471 ZGB). Dies bedeutet, dass der Pflichtteil der Nachkommen von 3/4 (des halben Nachlasses, wenn der Erblasser einen Ehegatten hinterlässt, resp. 1/2 der gesamten Erbschaft, wenn der Erblasser keinen Ehegatten hinterlassen hat resp. dieser Vorverstorben ist) auf 1/2 gesenkt wird.
Konkret bedeutet dies für einen Erblasser, welcher bspw. die Ehefrau und zwei Kinder hinterlässt Folgendes:
- Pflichtteil Ehefrau: 1/4
- Pflichtteil Kind 1: 1/8 (statt wie bisher 3/16)
- Pflichtteil Kind 2: 1/8 (statt wie bisher 3/16)
- Verfügbare Quote: 1/2 (statt wie bisher 3/8)
Wenn der Erblasser nur Kinder hinterlässt bedeutet dies Folgendes:
- Pflichtteil Kind 1: 1/4 (statt wie bisher 3/8)
- Pflichtteil Kind 2: 1/4 (statt wie bisher 3/8)
- Verfügbare Quote: 1/2 (statt wie bisher 1/4)
Entsprechend wurde auch bei der „Nutzniessungsregelung", gemäss welcher ein Erblasser dem überlebenden Ehegatten gegenüber den gemeinsamen Nachkommen die Nutzniessung an der den Kindern zufallenden Erbschaft einräumen kann, festgehalten, dass bei dieser Variante der Erblasser noch eine frei verfügbare Quote von 1/2 der Erbschaft hat (anstelle von 1/4) (revArt. 473 ZGB).
Weiter wurde der Pflichtteilsschutz von sich in Scheidung befindenden Ehegatten gelockert. Gilt bis anhin die Regelung, dass das gesetzliche Erbrecht, mithin der Pflichtteilsschutz erst bei rechtskräftiger Ehescheidung dahinfällt (Art. 120 ZGB), sieht der Entwurf neu vor, dass der überlebende Ehegatte seinen Pflichtteilsanspruch verliert, wenn beim Tod des Erblassers ein Scheidungsverfahren hängig ist und dieses auf gemeinsames Begehren oder auf Klage hin eingeleitet worden ist und letzteren Falls die Ehegatten mit der Scheidung einverstanden gewesen sind oder seit mindestens zwei Jahren getrennt gelebt haben (revArt. 472 ZGB, rev. Art. 120 ZGB). Entsprechend kann ein Ehegatte nach dem Tod des Ehepartners während eines Scheidungsverfahrens keine Ansprüche aus Verfügungen von Todes wegen (Testament/Erbvertrag) erheben, sofern das Scheidungsverfahren den Verlust des Pflichtteilsanspruchs des überlebenden Ehegatten bewirkt.
Lebenspartner
Auch wenn das revidierte Erbrecht keine Erbenstellung eines Lebenspartners vorsieht, soll ein Lebenspartner, wenn er mit dem Erblasser seit mindestens fünf Jahren in einer faktischen Lebensgemeinschaft gelebt hat, gegenüber den Erben eine Rente beantragen können, wenn er ohne diese in Not geraten würde. Die Rente darf 1/4 des Nachlasses nicht überschreiten (entspricht dem Pflichtteil des Ehegatten). Dieser Unterstützungsanspruch muss der überlebende Lebenspartner innert 3 Monaten nach dem Tod des Erblassers bei der zuständigen Behörde beantragen. Verpasst er diese (knappe) Frist, wäre der Anspruch verwirkt.
Weitere Anpassungen
Die Reform sieht noch einige weitere Anpassungen betreffend die Herabsetzungsklage resp. betreffend die Ermittlung des Nachlasses vor. Insbesondere hinsichtlich Versicherung und gebundene Selbstvorsorge sieht der Entwurf vor (revArt. 476 ZGB), dass bei einem auf den Tod des Erblassers hin gestellter Versicherungsanspruch, einschliesslich eines solchen aus der gebundenen Selbstvorsorge, der auf einen Dritten übertragen worden ist (durch Verfügung unter Lebenden oder von Todes wegen), dessen Rückkaufswert im Zeitpunkt des Todes dem Nachlassvermögen hinzugerechnet wird, wie auch die Ansprüche aus gebundener Selbstvorsorge bei einer Bankstiftung. Die Leistungen, welche den Erben und den übrigen Begünstigten aus der beruflichen Vorsorge zukommen, gehören somit nicht (mehr) zur Erbschaft, unterliegen jedoch der Herabsetzung (sofern Pflichtteile verletzt sind).
Übergangsbestimmungen
Die Übergangsbestimmungen werden vorsehen, dass jenes Recht für den Nachlass das massgebende sein wird, welches im Zeitpunkt des Todes in Kraft ist (SchlT ZGB).
Wann das neue Erbrecht in Kraft tritt, ist derzeit noch nicht klar, muss die Vorlage zuerst noch vom National- und Ständerat angenommen werden. Es ist aber davon auszugehen, dass das Gesetz bald in Kraft tritt.
Aus nachlassplanerischer Sicht ist zu empfehlen, beim Aufsetzen von Testamenten resp. Erbverträgen die Revision bereits zu berücksichtigen oder bereits bestehende Testamente/Erbverträge zu überprüfen und allenfalls zu ergänzen resp. anzupassen.